26.08.2011
26.08.2011

Stadt zahlt, was Land verspricht

Neue Kitas sind teuer und Erzieherinnen fehlen an allen Ecken und Enden

Kindergartengarantie und "Mindestverordnung" Kitas sind zwei Worte, die jeden Bürgermeister auf die Palme treiben, denn sie haben Probleme, die Verordnungen einzuhalten.

Von Hanspeter Otto

Hofheim. Kinderschuhe in einer Kita. (Symbolbild: dpa)Kinderschuhe in einer Kita. (Symbolbild: dpa)Jedes Kind über drei Jahre hat in Hessen einen Anspruch auf einen Kitaplatz – gesetzlich verbrieft. Und dann gibt es seit 2009 auch noch die Mindestverordnung. "Die neue Verordnung sieht vor allem eine Personalanhebung und teilweise eine Verringerung der Gruppengrößen vor," stellt die hessische Landesregierung ihre Anordnung vor. So soll die Qualität der Kitas angehoben werden.

Bis September reichten zur Betreuung einer Gruppe 1,5 Personen aus, seitdem sind es zwei Personalstellen, also 25 Prozent mehr. Anders gerechnet werden aus Gruppen mit 20 Kindern kleinere mit 15 Kindern. Rund 1800 Betreuungsplätze gibt es in Hofheim, das macht rund 90 Erzieherinnen. Mindestens. Nach der neuen Verordnung müssten es aber 110 bis 115 sein.

 

Das Land hat die Verordnung erlassen und sich dann aus seiner Verantwortung davongemacht. Ruhm und Ehre hätte man gern, aber zahlen sollen die Kommunen. Die können und wollen das nicht. Bürgermeisterin Gisela Stang hofft auf den Städte- und Gemeindetag. "Der hat gegen die Mindestverordnung Klage erhoben", sagt sie. Die Stadt wolle ein guter Arbeitgeber sein und die Stadt sei tariftreu. Damit aber sind Erzieherinnen kaum noch zu bekommen. Frankfurt hat es mit Zahlungen über Tarif versucht, aber auch dort hat die Stadt Personamangel.

Bürgermeisterin Stang wundert das aber nicht: "1300 bis 1500 Euro netto nach fünf Jahren Ausbildungszeit, das ist einfach zu wenig." Einfach mal ein paar Hundert pro Erzieherin drauflegen kann sie aber auch nicht. Da würde der Landrat als Aufsichtsbehörde der klammen Stadt wohl gleich mal die Auflagen unter die Nase reiben, nach der sie drei Millionen im Etat 2011 einzusparen hat.

"Wir können nur bei der Suche nach preiswertem Wohnraum behilflich sein, beispielsweise über die Wohnbau", sagt Stang.

 

Erzieherinnen aber haben die freie Wahl des Arbeitsplatzes und ziehen, wenn sie schon wenig verdienen, gern dahin, wo das Leben weniger kostet. Die meisten Kitas in Hofheim sind übrigens in kirchlicher Trägerschaft. Das ändert aber nichts am Problem.

 

Die Drittelregelung – ein Drittel der Kosten trägt die Stadt, ein Drittel der Träger und ein Drittel die Eltern – ist längst zu ungunsten der Stadt verschoben. Die Kirchen drohen, dass sie bei ihren finanziellen Engpässen unter Umständen aus der Trägerschaft aussteigen müssen. "Dabei mache sie es sich noch doppelt schwer, weil sie nur ihrer Kirche nahestehendes Personal einstellen", wundert sich Stang darüber, dass sie die Träger den Markt nicht selbst einschränken.

Nicht nur wegen der Mindestverordnung ist das Land stolz auf sich – zahlen müssen ja die Städte, selbst wenn sie das Geld nicht haben – auch die Platzgarantie für Kinder rechnet sich das Land als Erfolg zu, es kostet das Land ja nichts. Natürlich muss Hofheim in Kitas investieren, sagt Gisela Stang. Nicht nur wegen der gesetzlichen Platzgarantie, sondern auch, weil Kitaplätze ein wesentlicher Standortfaktor sind. Noch ist Hofheim Zuzugsgebiet für junge Familien und die fragen als erstes nach Kitaplätzen. Hofheim ist da ganz gut ausgestattet und im Norden der Stadt ist noch einer im Bau.

 

Allerdings trifft der demografische Wandel auch Hofheim und der Tag ist absehbar, an dem nicht mehr alle Plätze voll sind. "In Nordhessen stehen heute schon ganze Einrichtungen leer", sagt Stang. Hier aber muss noch investiert werden, und wenn die Stadt noch so große Finanzprobleme hat. "Wir können uns ja nicht kaputtsparen." Nur auf private Investoren setzen kann die Stadt aber auch nicht, auch wenn die Bürgermeisterin sagt: "Der Glückskindergarten ist, wie die kirchlichen Einrichtungen, eine richtige Bereicherung für die Stadt."

Der Glückskindergarten hat aber auch ein ausgesprochen hohes Niveau und entsprechende Preise. Trotz der vielen überdurchschnittlich guten Einkommen in Hofheim gibt es aber auch hier Menschen, die am unteren Rand des System leben und deren Kinder die Stadt "gern früh in die Sozialsysteme nehmen würde", sprich: sich schon im Kindergarten um sie sorgen will. "Das muss so niederschwellig wie möglich sein, das ist nichts für Investoren", sagt Stang. Viel Spaß beim Sparen. (hpo)