n-tv online vom 30.05.2012

Kita-Ausbau unter Druck - Weiße Salbe, keine Medizin

ein Kommentar von Solveig Bach

 

Mit einem Maßnahmenbündel aus zinsgünstigen Krediten und Personalkostenzuschüssen will Bundesfamilienministerin Schröder den Ausbau des Betreuungsangebots für Kleinkinder beschleunigen. Nur durch eine gemeinsame Anstrengung sei ein bedarfsgerechtes Angebot im kommenden Jahr zu erreichen, sagt Schröder und belügt sich damit.

 

Eine verlässliche und gute Betreuung ist für Eltern noch immer wie ein Lottogewinn.

Eine verlässliche und gute Betreuung ist für Eltern noch immer wie ein Lottogewinn. (Foto: dapd)

 

Ab dem 1. August 2013 hat jedes Kind unter drei Jahren Anspruch auf einen Krippenplatz. Bis dahin sind ja noch 14 Monate Zeit. Was im Leben eines Unter-Dreijährigen eine halbe Ewigkeit ist, dürfte bei der Lösung einer so umfassenden politischen Aufgabe allerdings nur ein Wimpernschlag sein. Der Zehn-Punkte-Plan von Familienministerin Kristina Schröder sieht auf den ersten Blick schlüssig aus, doch der Teufel steckt wie so oft im Detail, und die Zeitfrage spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Derzeit fehlen 160.000 Plätze, vor allem in den großen Städten und im Westen Deutschlands. Vielen Kommunen und Trägern mangelt es schlichtweg am Geld, um den Kita-Ausbau finanziell stemmen zu können. Zudem fehlen noch 14.000 Erzieherinnen und mindestens 16.000 Tagesmütter und -väter.

 

Als andere Länder sich längst Gedanken darüber machten, wie sie künftig berufstätige Eltern unterstützen wollen, hegte Deutschland noch das Bild von der zuhause betreuenden Mutter als dem alleinseligmachenden Ideal. Allenfalls ein paar Stunden Teilzeitarbeit sollten möglich sein, damit spätestens zum Mittagessen vor allem Mutter und Kinder wieder vereint sind.

 

Der Ausbau dauert

Das rächt sich nun bitter, die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern dauert zwischen drei und fünf Jahren, da sind die heute geborenen Kinder dann schon fast bereit, eingeschult zu werden. Die Gründung oder Erweiterung einer Kindertagesstätte ist auch nicht über Nacht erdacht und umgesetzt. Da dürften die finanziellen Brücken, die die Ministerin nun bauen will, nicht viel mehr als ein Stöcklein übers Bächlein sein.

 

Zumal Maßnahmen wie der Lohnkostenzuschuss für Tagesmütter auf ein Jahr befristet sind. Und dann? Und auch mit dem schönsten KfW-Kredit kann keine Kommune in den großen Ballungsräumen ein Kita-Grundstück backen. Von wirklichen Bildungsstandards für die Betreuung der Kleinsten ist dabei noch gar keine Rede. Diese sollen dann immerhin bis zum Jahr 2020 kommen.

 

Faule Kompromisse

Inzwischen drängt sich der Verdacht auf, dass das so viel gescholtene Betreuungsgeld ein paar dieser Probleme lösen soll. Eltern bekommen Anreize, ihre Kinder gar nicht erst in die Kita zu schicken oder Geld in die Hand, das sie an Tagesmütter weiterreichen können. Die Kommunen werden so den Druck los, Kitaplätze zu schaffen und entgehen den lästigen Klagen der Eltern, die den Rechtsanspruch juristisch einfordern.

 

Unter dem nun vorhandenen Zeitdruck werden sich wieder einmal die faulen Kompromisse durchsetzen: schlechtere Betreuungsschlüssel, Bufdis, die Erzieher ersetzen, Ausstattungsprobleme, die Eltern beheben helfen sollen. Bis sich eine wirkliche Lösung abzeichnet, dürften die meisten Kinder, die 2013 dringend einen Kita-Platz brauchen, allerdings längst Grundschüler sein.

Quelle: n-tv.de