09.11.11
09.11.11

Sie müssen zu Hause bleiben

Im Jahr 2013 wird es noch immer nicht genügend Betreuungsplätze für alle Kinder unter drei geben

 

Was das Statistische Bundesamt gestern für die gesamte Republik anprangerte, gilt auch für Frankfurt: Die Stadt wird es nicht schaffen, bis 2013 genügend Plätze für die Betreuung der Unter-Dreijährigen zu schaffen. Tritt der dann versprochene Rechtsanspruch wirklich in Kraft, droht eine Klagewelle.

Von Inga Janovic

 

Frankfurt. Im Vergleich mit anderen kann sich Frankfurt sehen lassen: Zählt man alle Betreuungsplätze in Krippen und Krabbelstuben sowie bei Tagesmüttern für die Unter-Dreijährigen zusammen, liegt die Versorgungsquote in der Mainmetropole bei 30 Prozent. Und damit zehn Prozent über dem gestern veröffentlichten Bundesschnitt – aber immer noch weit unter dem tatsächlichen Bedarf.

6258 Betreuungsplätze für die Kleinsten gibt es in Frankfurt momentan. Bis 2013 rechnet das Schuldezernat, dass etwa 11 000 gebraucht werden. Und da hat es noch vorsichtig geschätzt. "So wie es aussieht, werden wir das nicht bis 2013 schaffen können", sagt Martin Müller-Bialon, Sprecher der für die Kitaplatzversorgung zuständigen Bürgermeisterin Jutta Ebeling (Grüne).

Damit droht auch Frankfurt, wovor Städtetagspräsident Christian Ude gestern dringlich warnte: Eine Klagewelle von Eltern, denen die Stadt keinen Betreuungsplatz für ihre Kleinsten zur Verfügung stellen kann.

 

Insgesamt liegt der Versorgungsgrad für die Betreuung der Kleinsten inklusive der Tagesmütter bei 30 Prozent, aber die Plätze sind ungleich in der Stadt verteilt.

 

 

 

Gutes Recht ab 2013

 

Denn nach den bisherigen Plänen der Bundesregierung soll für die Eltern ab dem 1. August 2013 ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Unter-Dreijährige gelten. Das Statistische Bundesamt hatte gestern vorgerechnet, wie weit die westlichen Bundesländer von diesem Ziel noch entfernt sind. Es müsste fast ein Wunder passieren, um im Zeitplan zu bleiben.

"Es darf nicht dazu kommen, dass sie Städte mit Klagen und Schadensersatzforderungen überzogen werden", erklärte der Oberbürgermeister von München, der derzeit den Städtetag anführt. Die darin zusammengeschlossenen Kommunen plädieren deshalb für einen "Krippengipfel" mit Vertretern von Bund und Ländern, um die Regelung finanziell und zeitlich neu zu überdenken. Mehr Geld von Bund und Ländern sowie ein paar Jahre mehr Zeit fordern die Kommunen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder zeigte für diese Forderungen gestern noch kein Verständnis.

 

Doch auch aus Frankfurter Sicht wird es wohl nicht anders gehen, als den Termin nach hinten zu verschieben. Dafür will Bürgermeisterin Ebeling am kommenden Montag auch noch mal mit Unterstützung von Amtskollegen aus Kassel und Offenbach öffentlich plädieren. Dabei mangele es nicht am guten Willen und noch nicht einmal am Geld, wie Müller-Bialon versichert.

 

 

 

Kein Platz mehr

 

Es sind verschiedene Gründe, die es der Stadt schwer machen, schnell Abhilfe zu schaffen. Zum einen gehen ihr die Orte aus, wo sie Krippen und Krabbelstuben einrichten oder neu bauen könnte. Vor allem dort, wo es viele Kinder gibt, wird es eng. "Im Nordend bauen wir schon einen Schulhof zu", sagt Rainer Lossa, im Stadtschulamt für die Steuerung des Kita-Ausbaus zuständig.

 

Zum anderen fehlt Personal. Nachdem in den vergangenen Jahren erst die Zahl der Kindergartenplätze für die Drei- bis Sechsjährigen zur Vollversorgung aufgestockt wurde, und nun alle Bundesländer bei den Jüngsten nachziehen, gibt es einfach nicht mehr genug Erzieher. Schon mehrmals wurden in Frankfurt Kita-Neubauten eingeweiht, die anfangs gar nicht ausgelastet waren: Weil es für die dritte oder vierte Kindergruppe einfach keine Betreuerinnen gab.

Um dem Mangel Herr zu werden, hat die hiesige Berta-Jourdan-Schule ihre Kapazitäten verdoppelt. "Aber die Ausbildung zur Erzieherin geht über fünf Jahre, das dauert, bis sie verfügbar sind", so Lossa.

 

Noch eine weitere Entwicklung ließ die Frankfurter in Rückstand geraten: Seitdem man 2008 mit den Planungen für den Krippenplatz-Ausbau begann, stieg in der Stadt die Kinderzahl und auch die Nachfrage nach Betreuung für die Kleinsten stetig. "Dahinter steckt auch eine gesellschaftliche Entwicklung. Ende der 1990er Jahre lag die Versorgungsquote bei 15 Prozent und das genügte", so Müller-Bialon.

 

 

 

Bedarf steigt weiter

 

Mehrmals musste das Stadtschulamt die Bedarfsschätzung nach oben korrigieren. In Berlin geht man davon aus, dass es reichen müsste, wenn für jedes dritte Kind ein Krippenplatz zur Verfügung steht. Das wird in Frankfurt 2012 so sein, aber die Nachfrage nicht decken. Hier ging man mal von 40 Prozent aus, inzwischen ist sogar schon fraglich, ob es wirklich nur jedes zweite Elternpaar sein wird, dass sein Kind schon vor dem dritten Lebensjahr in einer Krabbelstube oder von einer Tagesmutter betreuen lassen will. "Es bleibt dabei, wir sind Familienstadt und arbeiten mit Hochdruck daran, wohnortnahe Einrichtungen für alle zu schaffen."

 

Im vergangenen und in diesem Jahr wurden die Kapazitäten stadtweit um jeweils 700 Plätze ausgebaut. Und fürs nächste Jahr ist mit dem Kämmerer vereinbart, dass noch einmal sehr viel Geld für den Krippenausbau zur Verfügung steht. Noch gibt es Stadtteile, vor allem im Westen der Stadt, wo bisher gerademal ein paar Dutzend Kinder untergebracht sind. Alle anderen Eltern müssen sehen, wie sie ihr Kind betreuen und zugleich den Lebensunterhalt sichern. (ing)

 

 

 

Insgesamt liegt der Versorgungsgrad für die Betreuung der Kleinsten inklusive der Tagesmütter bei 30 Prozent, aber die Plätze sind ungleich in der Stadt verteilt.