Rasanter Wandel

Höchster Kreisblatt - 26.02.2015 


Main-Taunus. 

„Mama, wo bist Du?“ Bei 30,6 Prozent aller unter Zweijährigen im Main-Taunus-Kreis hieß die Antwort zuletzt: „Nicht da“, oder „auf Arbeit“, wenn die Frage während der Betreuungszeiten von Kinderkrippen und durch Tageseltern gestellt wurde. Was dieser Wert besagt? Unter anderem, dass sich junge Mütter und Väter zunehmend weniger Zeit fürs Kind nehmen (können). 2007 hatte die Zahl der unter Zweijährigen, die tagsüber nicht bei der Mutter waren, erst bei 13,4 Prozent gelegen.


Politisch gewollt

Politisch ist die Entwicklung gewollt und deswegen ein Erfolg: Seit dem 1. August 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Grob gesprochen sind also 50 Prozent plus x das Ziel der Damen und Herren Politiker, denn bei den Werten, die der aktuelle Regional-Atlas Bildung der Statistischen Ämter liefert, sind ja zwei Jahrgänge (0 bis 1 und 1 bis 2) zusammengefasst, die Ein- bis Zweijährigen stellen also so etwa die Hälfte. So gesehen ist bei 30,6 Prozent noch Luft nach oben.

Faktisch ist es so, dass heutzutage im Main-Taunus-Kreis rund 2,3-mal mehr Kinder in der Krippe oder bei Tageseltern zuweilen noch in Windeln gewickelt, aber auf alle Fälle aufs Leben vorbereitet werden, als 2007. Dabei betreuen Tagesmütter beziehungsweise -eltern rund 7,2 Prozent der Kinder, Tageseinrichtungen rund 23,4 Prozent. Der Betreuungswert in Tageseinrichtungen liegt im Main-Taunus-Kreis damit unter dem Bundesdurchschnitt von 25,1 Prozent. Bei den Tageseltern sind es 7,2 Prozent mehr als der Bundeswert von 4,7 Prozent.

Weniger Zeit fürs Kind heißt natürlich mehr Zeit für den Beruf: In der ehemaligen DDR war Mutti in der Produktion unverzichtbar. Das wirkt bis heute nach: Die Spitzenreiter in der Kinderbetreuung liegen in den neuen Bundesländern. Den absoluten Spitzenwert der betreuten Kinder liefert der Kreis Jerichower Land mit 64,1 Prozent der Neugeborenen bis zu den Zweijährigen. Den niedrigsten Bedarf an Tageseinrichtungen hat der Kreis Berchtesgadener Land in Bayern mit 11,4 Prozent Kindern unter zwei Jahren in Krippen und bei Tageseltern. Die Betreuungsquote im Main-Taunus-Kreis brächte in diesem Vergleich Platz 133 unter 405 ausgewerteten Städten und Kreisen, wenn eine möglichst hohe Quote Platz 1 bedeutet.


Bayern ist anders

In Bayern, wo das Betreuungsgeld als Gegenpol zur Kinderkrippe erfunden wurde, sehen sie’s natürlich anders, da soll die Antwort auf „Mama, wo bist Du?“ möglichst immer „hier mein Kind“ und nicht „Mama kommt bald“ heißen. Vorausgesetzt, das Kind kann schon fragen.